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Charakter-Erschaffung


 
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Wenn du dich eine Weile darin übst,

nur in der Phantasie zu leben, wirst du begreifen,

daß Phantasiepersonen manchmal wirklicher

sind als Menschen aus Fleisch und Blut.

Richard Bach, Illusionen (1977)

 



Erste Schritte



Zu Beginn eines Rollenspiels steht die "Geburt" eines neuen Charakters.

Spieler und Spielleiter müssen sich im Klaren darüber sein, was sie eigentlich spielen wollen. Es beginnt damit, zu erkennen, was man will. Dies gilt sowohl für die Hintergrundwelt, in der gespielt werden soll, als auch für die zu erschaffenden Charaktere.

Die Möglichkeiten sind lediglich durch die Phantasie eingeschränkt, und diese kennt bekanntlich keine Grenzen. Beispiele für Abenteuerumgebungen gibt es genug.

Musterbeispiele sind phantastische Welten wie Mittelerde, die Welt in der Tolkiens "Der Herr der Ringe" spielt, ein Science-Fiction-Universum nach dem Vorbild von Star Trek oder Star Wars, aber auch eine Kampagne im Wilden Westen ist genauso denkbar wie ein Spiel im Jahre 1999.

Auf die vielen Möglichkeiten einer eigenen Hintergrundwelt gehe ich an späterer Stelle noch ein.
Sobald sich Spieler und Spielleiter auf eine Welt geeinigt haben, an der alle Beteiligten Vergnügen haben werden, wird es richtig ernst. Der Prozeß der eigentlichen Charakter-Erschaffung kann beginnen.

Die Charakter-Erschaffung steht am Beginn eines Abenteuers. Weder Spieler noch Spielleiter wissen zu diesem Zeitpunkt, wie sich die Kampagne im Laufe der Zeit entwickeln wird, nicht zuletzt hängt dies auch von den beteiligten Charakteren ab.

Wichtig ist, daß jeder Spieler seinen Charakter gerne spielt. Nur dann ist man in der Lage, aus einer Figur ohne Gesicht eine greifbare Person zu formen.

Wie aber kann man einen eigenen, einzigartigen Charakter erschaffen?
Viele Spielsysteme verwenden hierzu zum Teil sehr ausgefeilte Würfelverfahren. Andere Systeme geben die Möglichkeit, einen Charakter mit einer gewissen Anzahl an Punkten zusammenzusetzen.

Bei Daidalos wird auf diese Einschränkungen verzichtet. Größtmögliche Freiheit soll immer im Vordergrund stehen, so auch bei der Charaktererschaffung. Das Ziel bei Daidalos ist, in sich stimmige Charaktere mit möglichst viel "Atmosphäre" zu erschaffen, keine Ware von der Stange, sondern Figuren, die jedem Spieler auf den Leib geschneidert sind bzw. die sich jeder Spieler selbst auf den Leib geschneidert hat.

Das Vorgehen dabei ist wenn man so will, die Umkehrung der Reihenfolge der meisten Systeme bei der Charaktererschaffung. Fast immer werden zuerst Spiel-Werte (Eigenschaften, Fertigkeiten, usw.) festgelegt, ehe man sich um die Geschichte des Charakters kümmert, sofern dies überhaupt vorgesehen ist. Viel zu oft nimmt dieser Teil nur sehr wenig Raum bei der Erschaffung ein.

Bei Daidalos steht nun umgekehrt die Frage "Wer bin ich?" an allererster Stelle. Ehe man beantwortet, wie stark, zäh oder klug ein Charakter ist, versucht man, etwas mehr über die Figur selbst herauszufinden.

Dabei gilt, daß jeder Spieler den Charakter spielen kann, den er will. Mit der Einschränkung, daß es allen Vergnügen macht.

Wer jetzt frohlockt und nach der nächsten Waffenliste greift, um endlich einmal eine richtig "gute" Figur zu spielen, möge hierzu Daidalos beiseite legen und auch am besten nicht mehr zur Hand nehmen...

Nichts (und vor allem keine Würfel) sollte den Spielern vorschreiben, welchen Charakter sie spielen müssen. Allein oder in Zusammenarbeit mit dem Spielleiter geht es damit los, die Grundzüge des Charakters festzulegen. Nicht endgültig, aber zumindest eine Art Profil gilt es zu erstellen. Dies wird sich, sobald man den ersten Spielabend hinter sich gebracht hat, mit ziemlicher Sicherheit nochmals ändern, aber das ist kein Problem. Unstimmigkeiten in einem Charakter kann man häufig erst während des Spiels erkennen.

Es gibt einige Möglichkeiten, sich einem Charakter zu nähern. Beliebt sind Charakterfragebögen, die durchaus eine Hilfe beim Finden einer geeigneten Rolle sein können. Ein Fragebogen wie der folgende richtet sich vor allem an Spieler und Spielleiter, die mit freiem Rollenspiel im Sinne von Daidalos noch nicht sehr vertraut sind. Es soll selbstverständlich kein starres Schema sein, sondern ein Hilfsmittel, mit dem die Annäherung an einen neuen Charakter leichter fällt.

Anders als bei anderen Rollenspielen, ist bei Daidalos die Frageliste jedoch nicht der Abschluß bei der Charaktererschaffung, um einer Sammlung von Zahlen ein Gesicht zu geben, sondern der Anfang, um den herum man den Charakter aufbauen kann.

Eventuell ist es hilfreich, zu Beginn der Charakter-Erschaffung ein Schlagwort zu finden, mit dem man den Charakter bereits ein wenig einordnen kann. Egal ob man dies Charakter-Konzept, Charakter-Thema, Archetyp, Klischee, Charakter-Klasse, Aufhänger oder Deskriptor nennt. Anhand einer solchen ersten, einfachen Überlegung fällt es häufig leichter, detaillierte Fragen zu beantworten und auch während des Spiels auftauchende in sich logisch zu beantworten.

Solche Konzepte können sehr unterschiedlich sein: Geheimagent, Elementar-Zauberer, Besitzer einer Imbißbude, Kapitän eines Raumschiffs, unglücklich Verliebter...
Die Reihe läßt sich beliebig fortsetzen, aber anhand eines solchen Stichworts entwickelt jeder bereits eigene Vorstellungen um einen Charakter und der beabsichtigte Prozeß der Charakter-Erschaffung beginnt.

Die Charakterfragen einerseits sehr schematisch, andererseits sind sie auch sehr umfangreich und trotzdem nicht vollständig, sondern lediglich eine Anregung. Sie sollen als Anstoß dienen, weitere Ideen zu entwickeln und ausführlichere Erläuterungen nach sich ziehen. Es ist überhaupt nicht notwendig, sämtliche Fragen zu Beginn zu beantworten, bei einigen ergeben sich Antworten während des Spiels von selbst und können im Laufe der Zeit ergänzt werden. Man sollte sich jedoch die Zeit nehmen und versuchen, möglichst viele Fragen recht bald zu beantworten. Der Reiz beim Rollenspiel liegt gerade darin, in der eigenen Figur und in denen der Mitspieler eine gewisse Vertrautheit zu finden, an der es Roman- oder Filmhelden häufig mangelt.

Charakterfragen



0. Nenne das Wort, welches du als erstes mit der Idee deines Charakterentwurfs assoziieren wuerdest!

1. Wie heißt der Charakter? Hat er verschiedene Namen schon angenommen? Warum? Hat er Spitznamen? Wer hat ihn so genannt und warum?

2. Welchen Geschlechts ist der Charakter?

3. Wie groß ist er? Wie ist sein Körperbau ganz allgemein? Ist er dick oder dünn?

4. Welche Augenfarbe und Hautfarbe besitzt er?

5. Beschreibe das übliche Erscheinungsbild deines Charakters (Art und Stil der Kleidung, Haartracht, etc.)

6. Welche Stimme hat der Charakter? Wie drückt er sich aus? Hat er bestimmte Lieblingsfloskeln? Ist er eher schweigsam oder hört er sich gerne selbst reden? Kann er gut zuhören? Unterbricht er andere?

7. Wo wurde er geboren? Wann wurde er geboren? Wie alt ist er?

8. Wo lebt dein Charakter jetzt?

9. Wie war das Familienleben deines Charakters? Welches Verhältnis hat er zu Vater und Mutter? Hat er Geschwister? Wie heißen sie?

10. Hat dein Charakter bereits selbst eine Familie gegründet? Wie lange ist das her? Hat er noch Kontakt dazu?

11. Welcher Bevölkerungsschicht gehört der Charakter an? Welcher seine Eltern? Ist es die gleiche?

12. Wo ging dein Charakter zur Schule? Was hat er gelernt?

13. Hat dein Charakter sich jemals mit etwas anderem als seinem Ausbildungsberuf seinen Lebensunterhalt verdient?

14. Was denkt er über Religion? Was über den Staat und über die Gesellschaft?

15. Beschreibe den Moralkodex deines Charakters. Ist er käuflich? Was macht er alles für Geld?

16. Welche Ziele hat er für sein Leben? Was möchte er erreichen?

17. Welche Persönlichkeit hat dein Charakter? Welche Charakterzüge zeichnen ihn aus?

18. Welche speziellen Eigenschaften besitzt dein Charakter? (Dies bezieht sich nicht auf Attribute oder Fertigkeiten, sondern beispielsweise auf die Art, wie er mit anderen zurechtkommt, ob er in die Zukunft plant, mit Geld umgehen kann usw.)

19. Gibt es gewisse Dinge, die dein Charakter nicht tun kann oder will? Warum?

20. Welche Dinge, Personen oder Vorstellungen haßt er, welche liebt er?

21. Wie hat dein Charakter sein Leben verbracht, bevor er mit einem Leben voller Abenteuer konfrontiert wurde?

22. Kennt er bekannte, wichtige oder einflußreiche Persönlichkeiten? Woher? Welche Beziehung hat er zu diesen? Freundschaft? Verwandtschaft? Schuldet er noch einen Gefallen oder umgekehrt?

23. Welche Freunde hat der Charakter?

24. Welche Personen oder Gruppe haßt er am meisten?

25. Welche Personen oder Gruppe liebt er am meisten?

26. Welche Personen oder Gruppe respektiert er am meisten?

27. Welche Personen oder Gruppe fürchtet er am meisten?

28. Welche Lieblingsfarbe hat er? Verbindet er damit einen gewissen Aberglauben? Trägt er nur Kleidung dieser Farbe oder wirkt es sich in einer andern Art aus?

29. Beschreibe die wichtigste Tat, die dein Charakter jemals in seinem Leben vollbracht hat.

30. Ist dein Charakter Anhänger einer bestimmten Religion? Welcher? Wie weit geht sein Glaube?

31. Was ist der wertvollste Besitz deines Charakters? Warum? Dies muß nicht unbedingt der materiell wertvollste Besitz sein, sondern es geht mehr um die Frage, welcher Besitz ihm am heiligsten ist.

32. Hat der Charakter vor irgend etwas besondere Angst? Vielleicht sogar eine Phobie?

33. Schläft der Charakter normalerweise gut? Erwacht er mehrmals in der Nacht? Braucht er eine Nacht, um sich an ein neues Bett zu gewöhnen? Träumt er oft? Was sind die drei häufigsten Träume, die dein Charakter hat oder hatte?

34. Welches Verhältnis hat dein Charakter zur Zeit zu seiner Familie? Hat er noch Kontakt oder hat er sich mir ihr überworfen?

35. Was machen die Verwandten deines Charakters? Wo leben sie?

36. Wo hat ein Charakter seine Fertigkeiten erlernt?

37. Hat er einen Glücksbringer? Welchen und warum gerade ihn?

38. Welche Musik gefällt ihm? Welche Kunstrichtung?

39. Welche Beziehungen hatte dein Charakter bis jetzt? Zähle sie bitte auf und schildere kurz ihren Verlauf.

40. Wie war die erste oder die große Liebe des Charakters? Nur eine kurze Affäre? Oder eine lang anhaltende Romanze? Was ist daraus geworden? Was denkt der Charakter heute darüber? Würde er sich wieder so verhalten?

41. Angenommen der Charakter steht vor Gericht. Was ist die Ursache? In welcher Angelegenheit? Was verwendet der Ankläger gegen ihn? Was sagt der Verteidiger für ihn? Wie wird der Richter entscheiden?

42. Was magst du an deinem Charakter, was haßt du? Welche Gründe könnten andere Charaktere haben, deinen Charakter zu mögen bzw. zu hassen?

43. Wie würde die Wunschwohnung des Charakters aussehen, wie wäre sie eingerichtet? Wie sieht das tatsächliche Zimmer aus?

44. Wie war der Charakter als Kind? Wie war seine Kindheit?

45. Wie würden Vater und Mutter deinen Charakter beschreiben?

46. Jemand macht einen Witz auf Kosten des Charakters. Wie reagiert er darauf?

47. Was bedeutet "Rache" für deinen Charakter?

48. Welche Gefühle kann dein Charakter in der Öffentlichkeit zeigen? Kann er seine Gefühle ganz allgemein zum Ausdruck bringen?

49. Welche Bedeutung hat der Tod für deinen Charakter? Der eigene und der anderer Lebewesen?

50. Was bewegt den Charakter dazu, die Risiken und Gefahren eines Lebens als Abenteurer auf sich zu nehmen?

51. Fertige einen kurzen tabellarischen Lebenslauf deines Charakters an.



Noch mehr über den Charakter



Die Charakterfragen sind nicht die einzige Möglichkeit, sich einem neuen Charakter zu nähern. Und selbst wenn man sämtliche Fragen beantwortet hat, ist der Charakter noch nicht fertig. Die einzelnen Teile der Vorstellung, die man über ihn hat, müssen zusammengesetzt werden, um ein einheitliches Gesamtbild zu ergeben. Dies geschieht endgültig erst im eigentlichen Rollenspiel, aber selbst dort ist es ein hartes Stück Arbeit, wirklich vertraute Charaktere zu erschaffen.

Eine einfache Möglichkeit, der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Charakter stellt der Lebenslauf dar. Bei den Charakterfragen wird nach einem kurzen tabellarischen Lebenslauf gefragt. Niemand verbietet jedoch, diesen kurzen Lebenslauf etwas ausführlicher zu gestalten, eher stellt er nur ein Minimum dar, das beliebig erweitert werden kann.

Unabhängig gibt es neben den Charakterfragen die Möglichkeit, über die zu erschaffende Figur eine (oder mehrere) Geschichten zu schreiben. Dies kann aus der Sicht eines parteiischen oder neutralen Beobachters geschehen. Ein Journalist kann sich an die Fersen des Charakters heften und von seinen Abenteuern berichten. Ein Feind des Charakters berichtet einem Vorgesetzten von bemerkenswerten Aktivitäten. Heldengeschichten werden am Lagerfeuer erzählt. Die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt. Auch aus der Sicht des Charakters selbst können Geschichten erzählt werden. Dies halte ich im Allgemeinen für besser, da dies erleichtert, Gefühlen des Charakters Ausdruck zu verleihen. Schließlich weiß der Charakter selbst vermutlich am besten, was er denkt und fühlt. Aber im Einzelfall kann auch immer das Gegenteil gerade das richtige sein. Der Charakter könnte seine Geschichte zum Beispiel als Rückblende einem Enkel erzählen.

Die Idee des Geschichtenschreibens ist einer weiteren Möglichkeit sehr ähnlich: ein Tagebuch des Charakters. Dies ist etwas, was ich jedem Spieler ans Herz legen möchte. Hierdurch erreichen Charaktere eine Intensität und Vertrautheit, die etwas ganz besonderes darstellen können. Fast immer gehen gutes Rollenspiel und Vertrautheit mit dem Charakter Hand in Hand. Es ist schwierig, einen Charakter darzustellen, der einem fremd ist, umgekehrt fällt es recht leicht, mit einem vertrauten Charakter auch schwierige und anspruchsvolle rollenspielerische Situationen überzeugend zu meistern.

Ein Tagebuch für einen Charakter zu führen, lohnt sich auch und gerade über den Prozeß der Charaktererschaffung hinaus. Zum einen fällt es damit deutlich leichter, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern. Wer kennt nicht die Situation, das Gefühl zu haben, irgend etwas wichtiges aus der Vergangenheit übersehen zu haben oder sich an Ereignisse aus früheren Abenteuern nicht mehr erinnern zu können. Mit einem Tagebuch wäre es leichter, dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.

Aber neben dem praktischen Nutzen hilft ein Tagebuch dem Spieler auch, sich über die Entwicklung und die Gedanken seines Charakters Klarheit zu verschaffen. Meistens hat man als Spieler zwar eine vage Vorstellung von dem, was den Charakter bewegt, aber sobald man "gezwungen" ist, sich mehr Gedanken darüber zu machen, kann man diese Vorstellungen konkretisieren. Aus einer generellen Abneigung gegenüber der Verwandtschaft wird dann eine Feindschaft zum Halbbruder des Vaters und eine Auflehnung gegen die Geschwister, und nur eine Cousine bildet eine Ausnahme, da...

Die genannten Möglichkeiten lassen sich natürlich nach Belieben kombinieren.

Beispielsweise beschreibt man das Aussehen und die geschichtlichen Daten eines Charakters stichpunktartig. Das Verhältnis in der Jugend zu seinen Eltern als kurzen Tagebucheintrag, ehe der Charakter im Streit von zu Hause auszog und das heutige Verhältnis als Gespräch, innerhalb dessen es zur Aussöhnung kam.



Attribute und Eigenschaften



Wie stark ist ein Charakter? Wie gut sieht er aus? Wie klug ist er? Fragen, die in den meisten Rollenspielen mit Hilfe von Attributs- oder Eigenschaftswerten beschrieben werden und die außerdem häufig ausgewürfelt werden.
Bei Daidalos soll auch hierbei die rollenspielerische Freiheit und die Beschreibung eines Charakters im Vordergrund stehen.

Abhängig von der geplanten Kampagne oder der gewählten Spielwelt kann der Spielleiter zusammen mit den Spielern festlegen, welche Attribute sie für wichtig erachten und welche die Spieler somit genauer bei der Erschaffung ihres Charakters ausführen sollen.

Vielleicht mag der Einwand kommen, daß dann jeder Charakter stark, intelligent und ungeheuer gutaussehend sein wird. Nun, wenn es die Spieler wollen, was spricht dagegen? Wer sagt, daß Kämpfer immer dumm und Magier immer schwächlich sein müssen? Im übrigen habe ich festgestellt, daß gute Rollenspieler sehr wohl ein Gespür dafür haben, was zu einem Charakter paßt und was nicht.

Der Gedanke bei Daidalos ist, die Attribute nicht mehr durch Zahlen auszudrücken.
"Mein Held hat Stärke vier."
Schön. Und?

Genau darum geht es. Nichtssagende Zahlen werden durch Beschreibungen der Attribute ersetzt. Dabei kann jeder Spieler seinen eigenen Stil entwickeln und auf die Beschreibung des Charakters eingehen, die sich durch entsprechende Vorarbeit wie beispielsweise die Charakterfragen schon sehr detailliert ergeben hat. Es soll sich ein in sich stimmiges Bild des Charakters ergeben.
In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, auf das Konzept des Charakters (vgl. hierzu Charakter-Erschaffung: erste Schritte) zu achten, dann kann es leichter sein, ein entsprechendes Profil des Charakters zu entwerfen und die benötigten Attribute geeignet festzulegen.

Die Beschreibungen der Attribute können sehr unterschiedlich gestaltet sein, es geht nur darum eine Möglichkeit zu haben, sich den Charakter vorstellen zu können. Eine kurze Geschichte, ein entsprechendes Ereignis oder eine Handlung des Charakters, dies alles ist geeignet, körperliche und geistige Eigenschaften zu erläutern.


Beispiel für Ausdauer/Konstitution/Zähigkeit

    Johannes Hafner ist recht schlank und seine Liebe zu den Bergen, der er möglichst oft nachkommt, macht ihn recht zäh.

Diese kurze Beschreibung genügt bereits, zu wissen, daß Johannes Hafner zäher als der Durchschnitt ist, aber keine Höchstleistungen bringen kann. Das genügt für den Einstieg. Wenn sich im Rollenspiel andere Situationen ergeben, die eine bessere Beschreibung bringen, nur zu: genau das ist es, was dabei herauskommen soll.



Fertigkeiten und Talent



Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Erschaffung eines Charakters sind seine Fertigkeiten. Dies umfaßt alles, was er durch Übung und Ausbildung gelernt hat oder von Natur aus beherrscht.

Da Daidalos weder Charakterklassen noch Berufe kennt, sind die Spieler bei der Wahl der Fertigkeiten ihrer Charaktere nicht eingeschränkt. Wie bei den Attributen geht es darum, ein Bild des Charakters zu erschaffen, das einen für Spielleiter und Mitspieler nachvollziehbaren Eindruck von dem vermittelt, was der Spieler sich unter seinem Charakter vorstellt.

Ausgehend von der gewählten Spielwelt können bei Daidalos die Spieler die Fertigkeiten ihrer Charaktere frei bestimmen. Die Anzahl ist unbegrenzt, ebenso der Grad mit dem diese Fertigkeiten beherrscht werden. Auch hier scheint es zuerst, als wäre damit Tür und Tor für "Mißbrauch" geöffnet. Wer schließlich sollte verhindern, daß die Spieler unbesiegbare Superhelden erschaffen? Aber die Frage stellt sich so gar nicht. Wenn die Spieler das Bedürfnis nach diebischen Magierkriegern oder feuerspeienden Flugmenschen verspüren, sollten sie bereits eine entsprechende Hintergrundwelt gewählt haben. Ein gewisses Maß an Gespür für die innere Logik einer Spielwelt wird natürlich bei einem derart freien Rollenspiel wie Daidalos vorausgesetzt.

Genauso wie bei den Attributen werden keine Zahlen verwendet, um die Fertigkeiten festzulegen. Die Spieler sollen dabei wieder eine kurze Beschreibung, passend zum gewählten Hintergrund ihres Charakters, geben. Die Liste der Fertigkeiten ist natürlich zu Beginn des Spiels nicht vollständig. Das ist allerdings auch nicht notwendig.

Stellt sich im Spiel die Frage, ob ein Charakter etwas tun kann, entscheiden Spielleiter und Spieler gemeinsam unter Berücksichtigung des bisher festgelegten Hintergrunds, ob und warum der Charakter die entsprechenden Fertigkeiten hat oder nicht. Dabei sollte dem Spieler vom Spielleiter möglichst große Freiheit zugestanden werden. Es ist schließlich der Charakter des Spielers und wenn er zu einem früheren Zeitpunkt die entsprechende Festlegung getroffen hätte, wäre der Spielleiter nicht in der Lage gewesen, sich einzumischen. Sowohl Eigenschaften als auch Fertigkeiten können im Nachhinein noch während des Spiels definiert werden und man wird dies gar nicht vermeiden können, es ist aber kein großer Aufwand.

Trifft Johannes Hafner, seines Zeichens Geheimagent zum erstenmal seit seiner Erschaffung auf ein Hotelschloß, muß sich der Spieler überlegen, ob sein Charakter dieses Schloß öffnen kann oder nicht, wobei die Aussage über das Ausmaß seiner Fähigkeit und die Begründung häufig nahe zusammen liegen.

"Johannes Hafner ist schon sehr lange im Außendienst tätig und hatte schon mehrfach mit Schlössern verschiedenster Art zu tun. Ein ähnliches Schloß wie dieses hat er vor zwei Jahren in Lissabon schon mal geknackt."
oder
"Johannes Hafner war eher im Bereich Datensicherheit tätig und hat bis auf einen kurzen Lehrgang vor 7 Jahren nichts mit Sicherheitsschlössern zu tun gehabt, er kann es probieren, aber die Aussichten sind nicht besonders gut.".
Selbstverständlich ist jede andere Begründung genauso gut.

Damit ist geklärt, zu was ein Charakter befähigt ist. Der zweite Schritt jedoch fehlt noch. Wie kann der Spielleiter entscheiden, ob eine Handlung gelingt oder ob sie dem Charakter einen Mißerfolg beschert.

    Cyrkin d'Ambergh steht vor einer steilen, recht hohen Felswand, die er überwinden muß, um seine Reise fortsetzen zu können. Cyrkin ist schon mehrmals in seinem Leben geklettert und er ist auch ein recht bewegliches Kerlchen, allerdings ist die Wand nicht sehr einfach zu erklimmen...

Eine versuchte Handlung gelingt normalerweise. Mit ein paar Ausnahmen.

Der Charakter kann entweder Pech haben. Eine Variante, die im würfellosen Rollenspiel eher selten eintritt, aber warum nicht zur Vereinfachung oder Beschleunigung eines Vorgangs einen Spieler einmal würfeln lassen. Dabei sollte man sich jedoch immer bewußt sein, daß es sinnvollerweise keinen zweiten Versuch gibt. Wenn der erste scheitert und der Spieler möchte weitere Versuche gestattet bekommen, muß er beschreiben, was er dann unternimmt, um doch noch einen Erfolg für sich verbuchen zu können.

Ein anderer Grund zum Scheitern verurteilt zu sein, ist mangelnde Fähigkeit des Charakters. Wer nicht Klavierspielen kann, ist nicht in der Lage, ein Klavierkonzert zu veranstalten und wer noch nie an einem Computer saß, wird nicht in den Zentralrechner einer Großbank eindringen können. Bei der Auslegung der Fähigkeiten eines Charakters sollte der Spielleiter ruhig zu Gunsten des Charakters entscheiden. Wenn der Hintergrund eines Charakters gewisses Wissen zulassen könnte, darf der Charakter darauf zugreifen. Wessen Charakter an einer Universität studiert hat, darf ohne weitere Begründung gewisse Computerkenntnisse voraussetzen. Es lohnt sich nicht, hier kleinlich zu sein. Sind jedoch keine Anzeichen in der Geschichte des Charakters für bestimmte Fähigkeiten oder bestimmtes Wissen vorhanden, kann der Spielleiter auch davon ausgehen, daß wirklich nichts entsprechendes vorhanden ist.

Eine weiterer Grund für das Scheitern an einer Aufgabe ist vorhandener Widerstand, egal ob aktiv oder passiv. Dies ist ganz klar der häufigste Anlaß für einen Charakter, sein Ziel zu verfehlen. Dieser Widerstand kann aus einem Gegenstand an sich erfolgen: die steile Wand stellt für Cyrkin einen Widerstand dar, den er erst überwinden muß und woran er scheitern kann, auch wenn er die Fähigkeit zu klettern besitzt. Der Widerstand kann aber auch von anderen Personen kommen, die verhindern wollen, daß ein Charakter sein Ziel erreicht. Für Cyrkin wäre dies etwas ein alter Feind, der von oben mit Steinen nach ihm wirft, während er versucht, die Wand nach oben zu klettern. Dieser Widerstand muß aber auf keinen Fall offensichtlich sein, die Spieler und die Charaktere brauchen davon nichts zu wissen. Das bewirkt eventuell auch, daß ein Spieler das Scheitern seines Charakters auf mangelndes Glück zurückführt, anstatt auf sich in den Weg stellende Schwierigkeiten.

    Ein Charakter möchte sich ein Schwert schmieden, es will ihm aber nicht gelingen. Für ihn erscheint es, als mangle es an Fertigkeit oder er habe nicht das notwendige Glück. Der Spielleiter weiß jedoch, daß vom Gehilfen bewußt schlechter Stahl ausgesucht wurde...

Grundsätzlich gelten bei der Abwägung über Erfolg und Mißerfolg bei einer Handlung ähnliche Überlegungen wie sie im Kapitel Kampf ausführlich erläutert werden. Der Spielleiter muß eine Entscheidung finden, wobei er diese anhand einiger Einflußfaktoren treffen kann. Zufällige Ereignisse sind nur in den seltensten Fällen wirklich zufällig und fast immer könnte der Spielleiter eine Begründung liefern, warum etwas genau in bestimmter Weise geschieht. Das ist jedoch nicht die Hauptaufgabe eines Spielleiters und es ist auch nicht notwendig, alle möglichen Ereignisse gegeneinander aufzuwiegen um das wahrscheinlichste eintreten zu lassen. Vielmehr muß er sich an den Erfordernissen des Plots orientieren, soweit die Handlung eines Charakters für die Geschichte notwendig ist. Ist ein bestimmtes Ergebnis erforderlich, ist es nur eine Frage der Zeit und der Beschreibung, bis ein Versuch der Charaktere gelingen wird.

Oft genug besteht aber kein direkter oder notwendiger Zusammenhang zwischen einer Handlung eines Charakters und dem weiteren Verlauf der Geschichte. Spieler und Charaktere verlangen dennoch eine Entscheidung vom Spielleiter. In diesen Fällen ist er vor allem auf den gesunden Menschenverstand angewiesen - grundsätzlich das beste Entscheidungsmittel im Rollenspiel. Anhand der Fähigkeiten des Charakters, der Schwierigkeit der Unternehmung, zur Verfügung stehender Hilfsmittel und ähnlichem sollte der Spielleiter versuchen, ein Ergebnis zu bestimmen, das allen Beteiligten einen möglichst großen Spielspaß bereitet. Das bedeutet nicht, daß alle Versuche eines Charakters gelingen, das hat mit Spielspaß nichts zu tun, aber gelegentlich, je nach Art der Spielwelt, darf auch etwas besonderes gelingen.

    Frank Kaltenhäuser, Geheimagent und Spezialist für verdeckte Ermittlung, kauert schwitzend vor der Alarmanlage. Um an die Unterlagen zu gelangen, muß er in das Büro des Personalchefs des verdächtigen Unternehmens, das dummerweise recht gut geschützt ist.

    SL: Die Abdeckung ist mittlerweile entfernt, du bekommst eine verwirrende Ansammlung bunter Drähte und elektrischer Bauteile zu sehen. Offensichtlich schützt die Anlage nicht nur die Tür sondern über eine Rückkopplungsschaltung auch sich selbst. Zusätzlich scheint sie nach außen hin überwacht zu werden.

    Der Spielleiter entscheidet, daß Frank eine 50 prozentige Chance hat, die Anlage zu entschärfen.

    Spieler: Ich sehe mir die Anordnung genauer an. Entdecke ich eine Schwachstelle innerhalb des Systems?

    SL: Mühsam verfolgst du die verschiedenfarbigen Drähte und ihre Verbindungen. Nach zehn Minuten bist du dir einigermaßen über den Aufbau im Klaren. Zwei Ansatzpunkte sind möglich. Blau oder rot, aber du kannst beim besten Willen nicht sagen, welcher der richtige ist.

    Der Spielleiter entscheidet für sich, daß der richtige der blaue ist, während der rote die Alarmlichter in der Zentrale aufblinken läßt...
    Genauso gut hätte er entschieden können, daß Frank sich auf alle Fälle für das richtige Kabel oder für das falsche entscheidet.

Zur Entscheidungsfindung stehen dem Spielleiter auch ein paar Tricks zur Verfügung. Wer kennt sie nicht, die Glückspilze unter uns, die völlig sorglos den Tag verbringen und alles, was sie anpacken scheint ihnen ohne Schwierigkeiten zu gelingen. Und umgekehrt gibt es auch Pechvögel, denen alles, was sie versuchen, mindestens beim ersten Mal mißlingt, so sehr sie sich auch anstrengen. Was es in Wirklichkeit gibt, kann es im Rollenspiel genauso geben. Betrachtet man die Charaktere in einer Spielrunde, kann man fast spüren, ob ein jeder eher zu den Glückspilzen oder zu den Pechvögeln tendiert, auch wenn dies nicht immer so ausgeprägt sein muß. Anhand dieser Überlegung kann der Spielleiter gelegentlich willkürlich Erfolg oder Mißerfolg zuteilen, zumindest wenn es für das weitere Spiel nicht von Bedeutung ist. Dies ist durchaus ein brauchbares Mittel, um die Persönlichkeit eines Charakters noch bildhafter werden zu lassen.

    Bad Luck Boris und Happy Harry betreten den Saloon, um bei einer Runde Poker die Sorgen des Wilden Westen für einen Abend zu vergessen. Ob sie dabei eine Handvoll Dollar gewinnen oder verlieren, ist für den Verlauf des restlichen Abenteuers unerheblich und daher entscheidet der Spielleiter, nachdem mehrere Runden gespielt worden sind, daß Boris 3 Dollar verliert, während Harry mit 2 Dollar mehr nach Hause geht.

Auch die Spieler selbst können ausgezeichnet zu einer Entscheidung herangezogen werden. Dabei kann die Entscheidung natürlich variieren, angefangen bei der Wahl zwischen zwei Möglichkeiten bis hin zu einer unzählbaren Menge möglicher Ereignisse und Resultate. Die Größenordnung und die Auswirkungen der verschiedenen Möglichkeiten festzulegen ist kein Produkt des Zufalls, sondern Aufgabe des Spielleiters.

Als Beispiel seien hier die immer wieder verwendeten Zufallsbegegnungen genannt. Welcher Autor und welcher Regisseur überläßt es dem Zufall, wem die Hauptpersonen begegnen. Es mag nach zufälligen Begegnungen aussehen, in Wahrheit ist es aber eine Begegnung, die die Ereignisse vorantreibt oder zumindest beim Aufbau von Spannung mitwirkt. Und im Rollenspiel ist es nicht anders, Begegnungen, die keinerlei Bedeutung haben, fangen sehr schnell an, Langeweile zu erzeugen.

Daß die Spieler in den Prozeß der Entscheidungsfindung integriert werden, müssen sie nicht unbedingt wissen. Es bietet sich an, dies Möglichkeit vor allem dann zu nutzen, wenn sich mehrere verschiedene, aber gleichwertige Handlungsstränge ergeben und die Wahl den Spielern zu überlassen. Wichtig ist dabei vor allem, die Spieler nicht wirklich aktiv vor eine echte Wahl zu stellen, sondern die Entscheidung durch Handeln der Charaktere indirekt treffen zu lassen.

    Hsiao Yun Lok und sein Kollege Da Qin Tak von der Kriminalpolizei in Hongkong erfahren bei Schichtbeginn, daß soeben eine Bombendrohung an einer Schule als auch ein Banküberfall gemeldet wurden. Wohin sie sich nun aufmachen, liegt bei den Spielern der beiden Polizisten. Der Zusammenhang, in dem die beiden Verbrechen stehen, wird sich für die Charaktere erst später ergeben, aber der Spielleiter weiß, daß die Bombendrohung nur eine Ablenkung sein soll, während der Überfall tatsächlich echt ist.



Beispiel: Charakter-Erschaffung



Hier ist ein Beispiel, wie ein Charakter zu Beginn seines "Lebens" beschrieben werden kann. Die Antworten auf den Fragenkatalog sind bewußt nicht gegeben, die Charakterbeschreibung gleicht eher einem Märchen (mit all den Übertreibungen, die damit verbunden sind): Dennoch sollte sich ein erstes Bild des Charakters abzeichnen, und sobald der erste Spielabend vorüber ist, kann man den Charakter weiter ausbauen.


    Zerlion, Prinz von Granájdha, 3. Sohn der Königin des Kristalls, Hüter der blauen Flammen

Ja, ja, mein liebes Kind, damals die Hochzeit von Berigan, dem ältesten Sohn Orlogans II., 14. Marschall des Königs zu Ascalion, und Prinzessin Mikaela, die liebliche Tochter König Gerans, Herrscher Tuscaliens, das war ein rauschendes Fest, 44 Tage lang. Das kannst du dir nicht vorstellen.

Und so viele feine Damen und Herren waren da. Könige und Königinnen, Herzöge, Gräfinnen, Baronessen, von fast allen Ländern und Völkern sind sie gekommen. So etwas hat die Stadt seit damals nicht mehr gesehen.

Wer alles da war? Es müssen Tausende gewesen sein.

Zum Beispiel Zerlion, der Prinz von Granájdha. Er war das fünfte Kind der Königin des Kristalls. Seine älteste Schwester war Sirdana, die Großmutter der heutigen Königin des Kristalls.

Er kam als Gesandter des Kristallreiches. Die Beziehungen zu Granájdha waren nicht besonders gut damals, da Ascalion gerade begonnen hatte, ebenfalls mit Edelsteinen und Schmuckstücken zu handeln. Aber dies spielte während der Hochzeit keine Rolle.

Ich weiß dies alles, da mein Großvater damals am Hof für das Quartier des Prinzen verantwortlich war. Und er hat es mir erzählt.

Groß soll er gewesen sein. Acht Spann und drei Finger, was allerdings für Granájer nicht ungewöhnlich ist. Aber etwas besonderes war er dennoch.

Weißt du, mein Kind, die Granájer legen sehr viel wert auf Traditionen. Und das hat dazu geführt, daß er, obwohl er erst 28 Sonnenläufe zählte, schon der Hüter der blauen Flammen war. Dies ist stets der dritte männliche Verwandte der Königin in der nächsten Generation. Was die blauen Flammen genau sind, weiß ich nicht. Aber sie sollen Granájdha gegen alles Übel von außen verteidigen. Nun ja, auf alle Fälle war der Prinz häufig für die Königin unterwegs. So auch bei der Hochzeit.

Mein Großvater meinte, daß er schon etwas besonderes war. Er hatte bläuliche Haut, wie alle Granájer. Seine Haare waren ganz dunkel, fast schon blauschwarz., wie auch seine Augen. Es mag sein, daß andere kräftiger waren als er, obwohl er sicherlich kein Schwächling war, aber was an ihm so beeindruckend war, war seine Art sich zu bewegen. Wie eine Katze, stets auf der Hut, stets auf der Lauer. Nichts konnte ihn überraschen.

Aber er war kein Soldat im eigentlichen Sinne. Angeblich verstand er sich zwar meisterlich im Umgang mit den Waffen, allerdings hat ihn mein Großvater nie bewaffnet gesehen. Das hat jedoch nicht unbedingt etwas zu bedeuten, weißt du, mein Kind. Denn die Königsfamilie aus Granájdha besteht nur aus Zauberern. Jeder von ihnen ist sehr mächtig, wenn auch die Königin mit Abstand die größte Macht besitzt. Und so war auch Zerlion mit Sicherheit ein großer Zauberer. Angeblich konnte er sogar mit Tieren reden und sie erfüllten ihm alle Wünsche.

Hier bei der Hochzeit hat er allerdings nicht gezaubert. Aber das tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch, zumindest nicht bei den ledigen Damen am Hof. Er war ja durchaus ein stattlicher Mann und so hat er so manches Herz gebrochen, was ihm unter den anderen Männern am Hof nicht sehr hoch angerechnet wurde. Er hat sich durchaus einige Feinde gemacht, aber Furcht hatte er deswegen nicht, wie es vielleicht andere empfunden hätten.

Mit über 40 Leuten im Gefolge kam er hier an, das ist überaus beachtlich, da sie fast zwei Monate unterwegs waren, um nach Ascalion zu kommen. Aber schließlich war er ja auch Gesandter der Königin des Kristalls und eine Hochzeit wie die von Berigan und Prinzessin Mikaela gibt es nicht alle Tage.



Und weiter mit dem Kapitel Charakter-Entwicklung



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